Gottfried Rudolph freier Theologe
 

Foto Kirchentor
Eingangstor einer Kirche in Süd-Bayern - Foto: KS

Nachricht Nr. 2 aus dem IGSL-Hospizbildungswerk

Vorstellen der einzelnen Referenten des HBW
Gottfried Rudolph, Theologe, Jg. 1954

Liebe Leserin, liebe Leser,

als ich Anfang der 80-er Jahre als Pfarrer in einer sehr ländlich geprägten Gemeinde im Odenwald tätig war, konnte ich erleben wie Tod und Sterben noch einen Platz im Leben der Menschen und deren Familie hatte. Oft wurde noch zuhause gestorben und es war selbstverständlich, dass der Pfarrer zur Aussegnung kam und die Nachbarn die Familie tatkräftig unterstützte. Es gab die sogenannte Totenwache, Zeit und Raum zum Abschiednehmen können.

Mir war klar, dass ich hier einen relativ kleinen Ausschnitt von noch „heiler Welt“ erlebt habe, die in unseren modernen Großstädten schon lange nicht mehr existierte. Aus dieser Erfahrung lernte ich jedoch, dass zur Sterbebegleitung grundsätzlich jeder Mensch befähigt ist. Sterbebegleitung gehört zum Alltagsgeschehen und in diesem Sinne kann jeder Mensch Sterbende begleiten. Die Fähigkeit zur Kontaktaufnahme, zum Beziehungsaufbau und insbesondere Einfühlungsvermögen vorausgesetzt, gehören zu den Qualitäten von Mitmenschlichkeit, die keiner besonderen Kurse und Seminare bedürfen.

Als ich Mitte der 90-er Jahre durch eine Begegnung mit Dr. Paul Becker zur Hospizarbeit kam, war mir bewusst, dass viele Menschen – gerade in den helfenden Berufen – qualifizierte Unterstützung brauchen. Ich war zu dieser Zeit als Dozent für Ethik und Gesprächsführung an einer Altenpflegeschule tätig und wusste um die Nöte und Ängste des Pflegepersonals im Umgang mit dem Thema Tod, Sterben und Trauer. Dr. Becker eröffnete mir nun eine erweiterte Sichtweise von Lebens- und Sterbebegleitung im häuslichen Bereich und wie wichtig es ist, gerade in einer Zeit von umbrechenden Familienstrukturen Begleitung für die Betroffenen anzubieten. Das von ihm 1990 gegründete Hospizbildungswerk bezieht sich bis heute auf die Unterstützung von Handlungskompetenzen bei der Begleitung von Sterbenden und Trauernden und deren Familien.

Im Mittelpunkt der Bildungsarbeit steht die Ermöglichung der Auseinandersetzung mit eigener Trauer und eigener Sterblichkeit. Viele Menschen sind aufgrund eigener Betroffenheit zur Hospizarbeit gekommen. Sie haben erlebt, wie Angehörige unter unwürdigen Bedingungen gestorben sind und möchten dies für andere zukünftig verändern. Oder sie hatten besonders gute Erfahrungen bei einer Begleitung gemacht und möchten diese weitergeben. In jedem Fall bringen alle ein mehr oder weniger großes Paket an eigenen Verlusterfahrungen mit. Die Bewusstwerdung und der Umgang mit den eigenen Verlusterfahrungen ist die Voraussetzung für eine sinnvolle Arbeit mit Menschen, die eine solche Verlustkrise gerade durchleben. Die Auseinandersetzung mit der eigenen Trauer ist ein wesentlicher Teil der Kurse und wird ausführlich in unserem Curriculum berücksichtigt.

Die Hospizbewegung will der Verdrängung und Tabuisierung von Sterben, Tod und Trauer in unserer Gesellschaft entgegenwirken. Dieser Prozess muß aber bei jedem Einzelnen von uns beginnen, besonders bei denen, die die Hospizarbeit tragen. Es setzt voraus, dass die Helfenden selbst die Möglichkeit haben, eigene Ängste vor Sterben und Tod wahrzunehmen und damit umzugehen.
Dazu bietet das Hospizbildungswerk den geschützten Rahmen, über die Erfahrungen zu sprechen und sich auszutauschen, aktiv zuzuhören, die eigenen Grenzen zu erkennen, sich selbst und anderen zu vergeben und vieles mehr ...

Mich erfüllt die Bildungsarbeit mit großer Dankbarkeit. Die Erfahrung des gemeinsamen Lernens und der Respekt vor der Einmaligkeit jedes einzelnen Menschen und seines Lebens ist ein großes Geschenk.

Danke !

Es grüßt sie herzlich

Ihr

Gottfried Rudolph